Quellensammlung Teil A
2: Britische Mandatszeit (1) 1918-1933
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A2.1. Das Völkerbundmandat, 24. Juli 1922 (Auszug) In Anbetracht dessen, daß die alliierten Hauptmächte zur Durchführung der Bestimmungen des Artikels 22 der Völkerbundsatzung übereingekommen sind, die Verwaltung des Territoriums von Palästina, das früher zum türkischen Reich ge-hörte innerhalb der von ihnen zu fixieren Grenzen einem von den erwähnten Mächte zu wählenden Mandatar anzuvertrauen, und daß die alliierten Haupt-mächte ferner übereingekommen sind, daß der Mandatar verantwortlich sein soll für die Verwirklichung der ursprünglich am 2. November 1917 durch die Regierung Seiner Britischen Majestät erlassenen und von den erwähnten Mächten anerkann-ten Deklaration zugunsten der Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina, wobei klar verstanden ist, daß nichts getan werden soll, was die bürgerlichen und die religiösen Rechte bestehender nichtjüdischer Ge-meinschaften in Palästina oder die Rechte und die politische Stellung, deren sich die Juden in irgendeinem anderen Lande erfreuen, beeinträchtigen würde; und daß dadurch die Anerkennung der historischen Verknüpftheit (historical connection) des jüdischen Volkes mit Palästina und der Grundlagen für die Wiedererrichtung seiner nationalen Heimstätte in diesem Lande erfolgt ist; […] werden die Bestimmungen des erwähnten Mandates wie folgt bestätigt: […] Artikel 2. Der Mandatar soll dafür verantwortlich sein, daß das Land unter solche politische, administrative und wirtschaftliche Bedingungen gestellt wird, welche die Errichtung der jüdischen nationalen Heimstätte, wie in der Einleitung niedergelegt, und die Entwicklung von Selbstverwaltungsinstitutionen sowie die Wahrung der bürgerlichen und religiösen Rechte aller Einwohner Palästinas, ohne Unter-schied der Rasse und Religion, sichern. […] |
Vgl. Karte Geo Epoche Die Wurzeln des Nahostkonflikts
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Artikel 4. Eine angemessene jüdische Vertretung (,,Jewish Agency") soll als eine öffentliche Körperschaft anerkannt werden zu dem Zweck, die Verwaltung Palästi-nas in solchen wirtschaftlichen, sozialen und anderen Angelegenheiten zu beraten und mit ihr zusammenzuwirken, die die Errichtung der jüdischen nationalen Heim-stätte und die Interessen der jüdischen Bevölkerung in Palästina betreffen, und, immer vorbehaltlich der Kontrolle durch die Verwaltung, an der Entwicklung des Landes zu helfen und teilzunehmen. Die Zionistische Organisation soll, solange ihre Organisation und Verfassung nach der Meinung des Mandatars angemessen sind, als solche Vertretung aner-kannt werden. Sie soll im Einvernehmen mit seiner Britischen Majestät Regierung Schritte unternehmen, um die Mitarbeit aller Juden zu sichern, die gewillt sind, bei der Errichtung der jüdischen nationalen Heimstätte zu helfen. […] Aus:E. Marcus:, ,,Palästina - ein werdender Staat", in: Frankfurter Abhandlungen zum modernen Völkerrecht, Heft 16, Leipzig 1929, S. 262-269. Text online: dpg-netz |
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A2.2. Gewalttätige Zusammenstöße zwischen Arabern und Juden 1920/21 (Überblick) Zu Beginn des britischen Mandats kam es bereits zu einigen gewalttätigen Zusammenstößen zwischen Arabern und Juden in Palästina, während es dann bis zum Ende der 1920er Jahre relativ friedlich blieb, nicht ohne Spannungen. Anlässe und Gründe der Zusammenstöße lassen sich so kategorisieren: 1. Eine Quelle für ständige Konfrontationen war der Haram al-Sharif (oder ...ash-Sharif), der Tempelberg mit den islamischen Heiligtümern Felsendom und Al-Alsa-Moschee auf der einen Seite und der Klagemauer, der westlichen Umfassungsmauer und einzigem Relikt des alten antiken jüdischen Tempels, in der Jerusalemer Altstadt. Der.“Kampf” um die Heiligen Stätten war ein ständiger, fast jährlich zu Problemen führender Streitpunkt durch die zunehmende Zahl von Jüdinnen und Juden, die die Klagemauer freitags besuchten ( Schabbat), währen die muslimische Bevölkerung am Samstag in die Moschee ging. Die Klagemauer konnte damals nur durch eine Gasse besucht werden, die zu dem kleinen “marokkanischen” Viertel bestand (nach dem Sechstagekrieg abgerissen). Siehe Karte unten. 2. Eine zweite Quelle für Spannungen waren “nachbarschaftliche” Konflikte, die sich dann schnell emotional und politisch aufheizen konnten und zu gewalttätigen Zusammenstößen führten, die in keinem Verhältnis zum relativ banalen Anstoß des Ganzen standen. 3. Die weitgehend selbst ernannte, aus den etablierten angesehenen Familien noch aus der osmanischen Zeit stammende palästinensischen Führungsschicht, angeführt von Vertretern der Husseini, protestierte von Anfang an gegen die Mandatsherrschaft, die Abtrennung Palästinas von Syrien und die Balfour-Deklaration. Sie lehnten jede jüdische Immigration ab. Gleichwohl gab es eine innere Kluft zwischen den Christen und Muslimen dabei, die sich im Laufe der Zeit zu einer tiefen Krise entwickelte. Die muslimische Führung unter Vertretern der Familie der Husseini, darunter dem Mufti (seit 1921) Hadj Amin al-Husseini [1]i, heizte die Spannung an und organisierte gezielte Konfrontationen wie beim Nabi Musa-Fest 1920 (siehe unten). |
[1] Mufti von Jerusalem Amin a-Husseini Wikipedia |
Die Klagemauer (Wailing Wall, Western Wall) bis 1967 Foto des französischen Fotografen und Orientreisenden Félix Bonfils. Nr. 245 “Mur des Juifs, un vendredi” - “Mauer der Juden, an einem Freitag”, ca. 1880. Wikimedia Commons |
Links im Bild die Hausmauern des Marokkanischen Viertels (Mughrabi-Viertel), das nach dem Sechstagekrieg abgerissen wurde. Die auf dem Foto dargestellte räumlich Situation bestand so also bis 1967. Allerdings lebten nach dem Unabhängigkeitskrieg und der Teilung Jerusalems 1948 mit Vertreibung der jüdischen Bevölkerung keine Juden mehr in der Altstadt Jerusalems, die jordanisch wurde. |
a) Nabi-Musa-Fest Ostern 1920 in Jerusalem Ankunft von Pilgern bei Nabi-Musa-Fest in Jerusalem 4.4.1920. (Genauere Lokalisierung unklar). Wikipedia |
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In der ersten April-Woche 1920 trafen das jüdische Pessach-Fest, das christliche Ostern und das muslimische Nabi-Musa-Fest, zeitlich zusammen. Die muslimische Pilgerreise zu Ehren des Propheten Moses entstand in großem Ausmaß erst in jüngerer Zeit, sie führte die Pilger über die Zwischenstation in Jerusalem zu einem Wallfahrtsort mit dem vermuteten Grab des Moses in der Wüste von Judäa zwischen Jerusalem und Jericho, eine Kultstätte, die es seit dem 13. Jh. gibt. [2] W.G. Vgl. Tom Segev: Es war einmal ein Palästina. Juden und Araber vor der Staatsgründung Israels. München (Siedler) 2005, S. 146-158. Vgl. auch Nabi-Musa-Unruhen Wikipedia |
[2] Nabi Musa Kultstätte Wikipedia
[3] Vladimir Zeev Jabotinsky Wikipedia
[4] Musa Kazim al-Husaini Wikipedia
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b) Jaffa 1921 Der Ausgangspunkt der Zusammenstöße in Jaffa und davon ausgehend in anderen Städten Palästinas hatte sehr spezielle Gründe, die dadurch in Gang gesetzte Eskalation folgte aber einem immer wiederkehrenden Schema. Jaffa und Tel Aviv, damals noch ein Stadtteil oder Vorort von Jaffa, waren Hochburgen der jüdischen Linken und extremen Linken, Jaffa selbst ein alter arabischer Ort mit einem neuen jüdischen Bewohneranteil. W.G. Vgl. Offizieller Bericht der “Haycraft Commission”: Palestine. Disturbances in May, 1921. Reports of the Commission of Inquiry, London (His Majesty’s Stationary Office) 1921. Internet Archive
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[6] Zitate aus: Segev, Palästina (s. oben), S. 191f. Vgl. insgesamt die Darstellung S. 190-203.
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A2.3. Bericht des Französischen Außenministeriums über den arabischen Kongress von Nablus, 23.-25. August 1922 Der arabische Kongress, der am 21. August in Nablus zusammentreten sollte, begann seine Arbeit erst am 23., um der aus Europa zurückgekehrten Delegation zu ermöglichen daran teilzunehmen. […] |
Auf diesem Kongress versammelten sich arabische Nationalisten aus Palästina nach der Rückkehr einer Delegation aus London. Der Kongress wurde von den Erfolgen der türkischen Nationalisten unter Kemal Atatürk gegen die europäischen Pläne für die Türkei beflügelt. |
Schließlich beschloss der Kongress: Aus: Henry Laurens: Le Retour des Exilés. La Lutte pour la Palestine de 1869 à 1997. Paris (R. Laffont) 1998, S. 337. Übers. W.G. - Aus dem Archiv des Französischen Außenministerium, mit Genehmigung (siehe rechte Spalte) .
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Copyright: Ministère des Affaires Etrangères, Nantes, Jérusalem, B. 101, Bulletin de renseignements n°6, 1. congrès de Naplouse, |
___________________ Hier warten wir noch auf die Genehmigung für eine Quelle ___________________
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A2.4. Aus dem British White Paper, Juni 1922 Der Minister für die Kolonien* hat die bestehende politische Situation in Palästina erneut geprüft, mit dem sehr ehrlichen Wunsch, zu einer Lösung der offenen Fragen zu gelangen, die bei bestimmten Bevölkerungsgruppen zu Unsicherheit und Unruhe geführt haben. […] Die Spannungen, die von Zeit zu Zeit in Palästina herrschten, sind hauptsächlich auf Befürchtungen zurückzuführen, die sowohl von Teilen der arabischen als auch von Teilen der jüdischen Bevölkerung gehegt werden. Diese Befürchtungen basieren, was die Araber betrifft, teilweise auf übertriebenen Interpretationen der Bedeutung der im Auftrag der Regierung Seiner Majestät am 2. November 1917 gemachten [Balfour-] Deklaration, die die Errichtung einer jüdischen Nationalen Heimstätte in Palästina begünstigt. Yale Law School – The Avalon Project. Übers. W.G. |
* Zu diesem Zeitpunkt Winston Churchill.
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A2.5. Aus dem Bericht der Palestine Royal Commission 1937 über die Jahre bis 1926-29 37. So wirkten bereits in jener frühen Zeit sowohl externe als auch interne Faktoren, die die beiden Völker in Palästina voneinander fernhielten und feindselig gegenüberstehen ließen. […] 39. Das herausragende Merkmal der vier Jahre nach 1925 war die Wirtschaftskrise, die Palästina und insbesondere die nationale Heimstätte heimsuchte. Sie war nicht Teil der weltweiten Depression, die im Laufe des Jahres 1929 einsetzte, und ihre Ursachen lassen sich nur schwer mit Sicherheit beurteilen. Ein Faktor ist jedoch unbestritten: Der Zusammenbruch des polnischen Złoty und die allgemeinen Währungsbeschränkungen in Osteuropa führten zu einer erheblichen Verarmung der jüdischen Einwanderer aus diesem Teil der Welt, die etwa die Hälfte der gesamten Einwanderer ausmachten. Was auch immer die Ursache war, das Ergebnis der Depression war ein starker Rückgang der Einwanderungsrate. Im Jahr 1925 waren 33.801 Juden nach Palästina eingereist und nur 2.151 hatten es verlassen. Im Jahr 1926 betrug die Zahl der Einwanderer 13.081 und die der Auswanderer 7.365. Im Jahr 1927 kamen nur 2.713 Einwanderer, während 5.071, also fast doppelt so viele, das Land verließen. Und trotz dieses Rückgangs stieg die Zahl der arbeitslosen Juden von etwa 400 Anfang 1925 auf 10.000 Ende 1927. [...] |
* Kongress von Nablus, siehe A2.3 |
40. Es gab jedoch auch positive Aspekte, die zeigten, dass die Krankheit keineswegs tödlich war. Sowohl die landwirtschaftliche als auch die industrielle Produktion stiegen stetig an. Der Index für die landwirtschaftlichen Erträge des Landes stieg weiter an. Die Fläche der Orangenplantagen war 1927 doppelt so groß wie 1923. Die Erträge der Industrie waren ebenso ermutigend. […] Während also die Importe zurückgingen, stiegen die Exporte. Der Wert der exportierten palästinensischen Produkte betrug 1925 1.330.830 Pfund, 1926 1.308.333 Pfund und 1927 1.889.759 Pfund; davon überstiegen die Agrarexporte 1927 zum ersten Mal seit dem Krieg die Agrarimporte. 41. Das tatsächliche Wachstum der Nationalen Heimstätte war zudem, wenn auch gebremst, so doch nicht zum Stillstand gekommen. Zwischen 1925 und 1928 stieg die jüdische Bevölkerung von 121.000 auf 151.000 und die Fläche des jüdischen Landbesitzes von 944.000 Dunum auf 1.024.000 Dunum. 42. Im Frühjahr 1928 begann sich das Blatt zu wenden. Die Arbeitslosigkeit ging stetig zurück. Die jüdische Einwanderung hatte noch nicht wieder ihr volles Ausmaß erreicht: Die Gesamtzahl der Einwanderer betrug in diesem Jahr nur 2.178. Aber die Abwanderung war gestoppt worden: Es gab zehn Einwanderer mehr als Auswanderer. So hatte die Nationale Heimstätte bis Mitte 1928 die schlimmste Krise überstanden, mit der sie bisher konfrontiert war; […] 43. Es ist bezeichnend, dass diese Jahre der Depression Jahre des Friedens waren. Von 1926 bis 1928 war der arabische Widerstand relativ ruhig. Die offiziellen Berichte für diese Jahre verzeichnen keine organisierten Proteste gegen die jüdische Einwanderung und keine Forderungen nach Selbstverwaltung. Zwischen 1925 und 1928 fand keine Sitzung des Arabischen Kongresses Palästinas statt. Die Regierung glaubte offensichtlich nicht, dass sich die Unruhen von 1920 und 1921 wiederholen würden, denn sie hielt die zur Aufrechterhaltung der Ordnung verfügbaren Kräfte auf dem sehr niedrigen Niveau, auf das sie 1926 reduziert worden waren, und dies trotz der Warnung der Ständigen Mandatskommission vor der „Gefahr, keine ausreichenden lokalen Kräfte aufrechtzuerhalten“. |
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46. Der Ausgangspunkt der Reihe von Ereignissen, die im August 1929 in dem katastrophalen Ausbruch gipfelten, war ein Vorfall, der sich am 24. September 1928, dem jüdischen Versöhnungstag, in Jerusalem ereignete. Gemäß einem seit Urzeiten bestehenden Brauch wurde an diesem Tag vor der Klagemauer ein Gottesdienst abgehalten. Diese hohe Mauer aus massiven Steinblöcken ist für die Juden heilig, da sie einst Teil der Außenmauer des Tempels war, und für die Muslime, da sie die Westseite der Plattform des Haram-esh-Sharif bildet. Sie ist Seit dem Mittelalter, wenn nicht sogar schon früher, genießen die Juden das Recht, den schmalen Gehweg unterhalb der Mauer zu betreten, um dort zu beten. Die muslimischen Behörden hatten jedoch darauf bestanden, und die türkische Regierung hatte zugestimmt, dass auf dem Gehweg keine Stühle, Bänke, Trennwände und dergleichen aufgestellt werden durften. Die britische Verwaltung, die sich ihrer Verpflichtungen gemäß Artikel 13 des Mandats bewusst war, hatte beschlossen, den Status quo strikt aufrechtzuerhalten. Als daher am Abend des 23. September berichtet wurde, dass die Juden eine Trennzaun aufgestellt hatten, um die Männer von den Frauen zu trennen, wurde dessen Entfernung angeordnet. Die Juden entfernten ihn jedoch nicht, sodass er während des Gottesdienstes am 24. von der Polizei gewaltsam entfernt wurde. 47. Es geschah nichts weiter, und für den Unwissenden mag es wie ein ganz trivialer Vorfall erschienen sein. Aber in Palästina darf man nicht vergessen, dass der Haram-esh-Sharif einst der Standort des Tempels war. Wir sind überzeugt, dass kein gemäßigt denkender Zionist, wie symbolisch auch immer zum Ausdruck gebracht, heutzutage die tatsächliche Wiederherstellung des Tempels in Betracht ziehen würde. Aber viele weniger verantwortungsbewusste Juden dachten anders und hatten entsprechende Äußerungen gemacht oder geschrieben; und während gemäßigt denkende Araber vielleicht nicht unbegründet alarmiert waren, gab es extremistische Araber, die bereit waren, das Schlimmste zu glauben und es an die leichtgläubigen und fanatischen Landbewohner im ganzen Land weiterzugeben. […] Wenn weithin und aufrichtig geglaubt wurde, dass die Ankunft der Juden in diesem Land nicht nur ihre wirtschaftliche und politische Vorherrschaft bedeuten würde, sondern auch die vollständige Wiederherstellung des alten Judentums, die Invasion und Entweihung der Heiligen Stätte und den Wiederaufbau des Tempels an seiner ursprünglichen Stelle, dann bestand kaum ein Zweifel daran, dass die Feindseligkeit der Araber einhelliger, fanatischer und verzweifelter sein würde als je zuvor. Palestine Royal Commission Report [“Peel-Commmission”], July 1937, London (His Majesty’s Stationary Office) 1937, S. 44-45. UNISPAL S. 61 -66. Gemeinfrei. |
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A2.6. Tagebuchaufzeichnung eines Palästinensers über den Ausbruch der gewaltsamen Konfrontation an der Klagemauer. 16.8.1929 Akram Zu’ayter war Lehrer in Nablus und palästinensischer Aktivist. Die Nachricht von den Ereignissen in Jerusalem erreichten ihn während der Ferien. Er wurde später Mitglied der “Unabhängigkeitspartei“ Hizb a-Istiqlal (siehe unten A4). Am 16. August 1929, als ich meine Schulferien in Nablus verbrachte, erreichten uns Nachrichten aus Jerusalem über die Ereignisse und Auseinandersetzungen zwischen Arabern und Juden und bewirkten eine außergewöhnliche Aktivität. Ich erkundigte mich also danach, was wirklich in Jerusalem geschah und erfuhr, dass eine große jüdische Demonstration gestern (15. August) zur Klagemauer gezogen war. Dort schwenkten die Demonstranten die zionistische Fahne und begannen ihre Nationalhymne zu singen und „Die Mauer ist unsere Mauer“ zu proklamieren sowie extremistische Parolen zu rufen. Daraufhin kam es zu einem Zusammenstoß mit den Arabern. |
{1] Buraq: Arab. Bezeichnung für die Klagemauer mit Anspruch auf die Zugehörigkeit zum islamischen Heiligtum Haram al-Sharif (oder – ash-Sharif), siehe nächste Anmerkung.. [2] Haram al-Sharif (oder ...ash-Sharif) „Edles Heiligtum“, arab. Bezeichnung für den Tempel- berg. |
Am Samstagabend, dem 17., empfingen wir weitere Informationen von jenen, die im Auto von Jerusalem zurückkamen. Wir erfuhren so, dass der Aufruhr sich ausgedehnt hatte. Zunächst erstach ein Araber einen Juden, an einem Buchara genannten Ort [=Stadteil]: Der Jude spielte Fußball und war in den Garten dieses Arabers gekommen um seinen Ball zu holen, der vom Spielplatz aus dorthin gerollt war. Der Besitzer des Gartens hat ihn erstochen. Es brach eine Schlägerei aus zwischen der jüdischen Mannschaft, die sich für einen der ihren einsetzte, und den Arabern, die zum Kampf bereit waren. Die Schlägerei brachte zwölf verletzte Juden und fünfzehn Araber (die Nachricht kam bereits übertrieben in Nablus an [3]). Dann gingen die Juden auf die Häuser los, die Arabern gehörten, und verletzten ihre Bewohner; sie griffen ebenfalls arabische Bauern an, die die jüdischen Viertel durchquerten um in die Stadt zu gehen; die Wut der Araber entfesselte sich und sie griffen ihrerseits jeden jüdischen Passanten in ihren Vierteln an. Muzakkirat Akram Zu’ayter, Mu’ssat al arabiyya lil-dirasat wa-l-nashr, Beirut 1994, S.38ff., nach: Henry Laurens: Le Retour des Exilés. La Lutte pour la Palestine de 1869 à 1997. Paris (R. Laffont) 1998, S. 394f. – Übers. aus dem Französischen W.G. |
[3] Kommentar des Tagebuchschreibers, offenbar im Nachhinein.
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A2.7. Das Massaker von Hebron, 23./24.8.1929 |
Die Zeitung wurde von der Palestine Telegraphic Agency in Jerusalem herausgegeben und war die erste englischsprachige Zeitung im Mandat Palästina. |
Zum Massaker von Hebron steht in der Zeitung: |
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Um 8:30 am Samstag, den 24. Aufgust, füllte eine sehr große Anzahl von Arabern die Straßen von Hebron, überfielen über die Häuser der Juden und eröffneten eine Szene von Raub, Vergewaltigung und Mord. Die Ereignisse, zusammengestellt aus der Erzählung der örtlichen Einwohner, fanden wie folgt statt. |
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[Es folgen detaillierte Beschreibungen von Überfällen auf Wohnungen und Synagogen mit Vergewaltigungen, Morden und Verstümmelungen]. Die ganze Ausgabe der Zeitung steht online bei der National Library of Israel Palestine Bulletin, 2 September 1929 |
Die Details konnten für den örtlichen Polizeibericht deswegen so genau festgehalten werden, weil es von jüdische Seite (Überlebende) und von arabischer Seite (z.T. mittelbar Beteiligte) sowie von Polizisten Augenzeugenberichte gab.
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A2.8. Arabisch-jüdische Solidarität im Konflikt 1929 Aus dem Bericht des Leiters des französischen Generalkonsulats in Jerusalem vom 5.9.1929 über die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Juden und Arabern. Viele Juden wurden von ihren arabischen Nachbarn geschützt. Ich erwähne nur einige Fälle: das arabische Dorf Abu Gosh (15 km von Jerusalem entfernt) hat sich gegen das Massaker an der benachbarten jüdischen Siedlung gestellt und die Ju-den gegen die Angriffe anderer arabischer Dörfer verteidigt. In Hebron verdanken viele Juden ihr Leben den Arabern, die sie in ihren Häusern versteckt haben. In Tiberias war die Brüderlichkeit am weitesten entwickelt: Juden und Araber haben sich wechselseitig verpflichtet, einig zu bleiben und gemeinsam jeden Angriff von außen zurückzuschlagen. Dieser Pakt ist nicht gebrochen worden, trotz der Ansta-chelungen, die von allen Seiten kamen. Aus: Henry Laurens: Le Retour des Exilés. La Lutte pour la Palestine de 1869 à 1997. Paris (R. Laffont) 1998, S. 398. Übers. W.G.Ministère des Affaires Etrangères, Nantes, Jérusalem, B. 101, Bulletin de renseignements n°6, 1. congrès de Naplouse, - Aus dem Archiv des Französischen Außenministeriums, mit Genehmigung, siehe rechte Spalte.. |
Copyright: |
Wird ergänzt... |
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Bearbeitungsstand / update 1.9.2025
Mit der Eroberung Palästinas durch die Briten unter General Allenby und der Kapitulation des Osmanischen Reiches am 30.10.1918 begann zunächst die Herrschaft der britischen Militärregierung über Palästina, der dann 1922 offiziell das Mandat des Völkerbundes folgte. Das ursprünglich gemeinsame Mandat für das Territorium westlich und östlich des Jordans wurde 1923 aufgeteilt in Palästina und Transjordanien. Das britische Mandat erstreckte sich auch über Irak, das französische über Syrien und Libanon.
Übersicht:
A2.1. Das Völkerbundmandat, 24. Juli 1922
A2.2. Gewalttätige Zusammenstöße zwischen Arabern und Juden 1920/21 (Überblick): a) Nabi-Musa-Fest 1920, b) Jaffa 1921
A2.3. Bericht des Französischen Außenministeriums über den arabischen Kon-gress von Nablus, 23-25. August 1922
A2.4. Aus dem British White Paper, Juni 1922
A2.5. Aus dem Bericht der Palestine Royal Commission 1937 über die Jahre bis 1926-29
A2.5. Tagebuchaufzeichnung eines Palästinensers über den Ausbruch der gewaltsamen Konfrontation an der Klagemauer 1929
A2.6. Das Massaker von Hebron, 23./24.8.1929
A2.7. Arabisch-jüdische Solidarität im Konflikt 1929
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