Quellensammlung Teil A

6: Staatsgründung Israels, Unabhängigkeitskrieg und Nakba,

Mai 1948 bis Juli 1949
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A6.4a) Der Fall Haifa als Beispiel

Der Kampf um Haifa, das dem Teilungsplan zufolge auf dem Territorium des vorgesehenen jüdischen Staates lag, hatte vieles von der Tragik, die die Ereignisse damals kennzeichneten und die die Auseinandersetzung darum heute zwischen Historikern und politischen Aktivisten stimulieren. Denn fast über Nacht wurde Haifa “vom Musterbeispiel jüdisch-arabischer Koexistenz” zu “einem palästinensischen Symbol. der Nakba” [1].

Die Sicherung der Küstenstraße und Eisenbahnlinie von Tel Aviv nach Haifa durch die Haganah und die in Haifa eindringenden Vorposten der Arabischen Befreiungsarmee stießen Anfang April in Haifa aufeinander. In deutlicher Ahnung des Kommenden hatten schon im März besser Gestellte aus der örtlichen Bourgeoisie (im weiteren Sinne des Begriffs) die Stadt (ca. 20-30.000). Im April gab es eine weitere Evakuierungsaktion durch die Briten per Schiff vom Hafen. Die Kämpfe intensivierten sich in der Stadt, allerdings kaum in der direkten Konfrontation der Kombattanten, vielmehr durch Bombenanschläge und pauschalen Beschuss, der v.a. die Zivilbevölkerung traf, von beiden Seiten. Während die arabischen Milizionäre versuchten, sich in der arabischen Bevölkerung zu verstecken um von dort aus zu operieren, rief die Haganah die Bevölkerung auf, sich nicht mit ihnen zu solidarisieren - das klassische Szenario. Pauschaler Beschuss der Wohnviertel sollte zudem klarmachen, wer die Oberhand hatte, und  dadurch Angst erzeugen.[2]

Das britische Militär griff nicht in die Situation ein, sein Auftrag war die Sicherung der Öl-Pipeline zum Hafen. Walid Khaliidi, der Chefhistoriker der Palästinenser, sieht die Briten jedoch als Verbündete der Zionisten. Benny Morris, der Chef der “Neuen Historiker” Israels, sieht die Briten dagegen in einer neutralen Rolle. Sie vermittelten in extremis ein Abkommen zwischen der lokalen arabischen Führung und den Vertretern der Haganah - für Hadawi der Beweis für die anglo-zionistische Kollaboration -, wonach die “arabische Bevölkerung” ihre Waffen abgeben musste und dafür die Zusicherung zum Verbleib bekam. Doch die lokale arabische Führung hatte keine Autorität über die Milizen und das Abkommen war schwer zu treffen. Eine Nachfrage beim Arab Higher Comittee des Mufti von Jerusalem, er selbst damals im Exil, ergab nach Kenntnis der an den Verhandlungen involvierten örtlichen jüdischen Führung, dass es vom Mufti am 22.4.1948 die Anordnung gab, die Palästinenser sollten auf keinen Fall ein Abkommen mit den Juden schließen und stattdessen Haifa verlassen, denn die Niederlage der Zionisten käme innerhalb von ein paar Wochen. Benny Morris sieht dafür in den Unterlagen keinen direkten Nachweis - was auch schwierig wäre - und meint, die örtliche muslimische Führung hätte die eher verhandlungsbereite christliche Führung damit unter Druck gesetzt.

 

[1] Yfaat Weiss: Verdrängte Nachbarn. Wadi Salib - Haifas enteignete Erinnerung. Hamburg (Hamburger Edition) 2012, S. 23. Das Buch schildert die Geschichte eines Stadtviertels Haifas vor und nach 1948.

 

[2] Vgl. insgesamt:

Weiss, op. cit., S. 27ff.

Benny Morris: The Birth of the Palestinian Refugee Problem Revisited. Cambridge (Univ. Press) 2008, S. 186ff.

Walid Khalidi: The Fall of Haifa Revisiited, in: Journal of Palestine Studies, Vol. XXXVII, No. 3, Spring 2008, S. 30-58.

Die überraschte zionistische Führung im Land sah jedoch, das sich das so auch an anderen Orten abspielte, und erkannte darin ein Zeichen für die bevorstehende Intervention der Arabischen Liga in einem großen Krieg. Tatsächlich hatte diese seit langem den Krieg gegen das entstehende Israel in der Planung - schlecht, wie sich dann herausstellen sollte -, zögerte aber noch bis zur Staatsgründung Israels als konkretem Grund dafür.

Ein Aspekt in diesem Kontext war die Befürchtung, dass die palästinensische Bevölkerung de facto alleine durch ihre Präsenz oder bewusst von Seiten der Israelis zu Geißeln in der anstehenden großen Auseinandersetzung werden konnte. So kam es am 23.5. und in den folgenden Tagen zu einer panikartigen Massenflucht aus Haifa, nur eine kleine Minderheit verblieb.

Wird noch abgeschlossen...

W.G.

 

 

A6.5. Flucht und Vertreibung im größeren Kontext

Flucht und Vertreibung sind nie klar voneinander zu trennen, so auch 1947-49 in Palästina und während des israelisch-arabischen Krieges, arabisch als Nakba (Naqba) bezeichnet (svw. Katastrophe). Israel gewährte anschließend nur ca. 50.000 Arabern die Rückkehr im Rahmen von Familienzusammenführungen. Die Verweigerung gegenüber den anderen wurde damit begründet, sie hätten Israel freiwillig den Rücken gekehrt oder würden mit feindlichen Absichten wieder ins Land wollen. Die palästinensische bzw. arabische Seite pocht bis heute auf das Rückkehrrecht, auch aller später geborenen Nachkommen, unter Berufung auf die UN-Resolution 194, und hat dies auch immer zum Gegenstand einer möglichen Verhandlungslösung erklärt. In den beiden Osloer Abkommen zwischen Israel und der PLO 1993/95 wurde diese Frage allerdings ausgespart.
Bereits nach dem UN-Teilungsbeschluss im November 1947, v.a. aber nach der Staatsgründung Israels am 14.5.1948 und der darauffolgenden Kriegserklärung der arabischen Nachbarstaaten, kam es auch in zahlreichen arabischen Staaten zu Gewalttaten mit Todesopfern unter der jüdischen Bevölkerung. Von offizieller Seite wurden v.a. in Ägypten und im Irak Maßnahmen der Entrechtung getroffen. Auch hier kann zwischen „freiwilliger“ und erzwungener Emigration nicht klar unterschieden werden.

Flüchtlingszahlen (näherungsweise):
 

 

Arabische Flüchtlinge aus israelischem Gebiet

insges.700-710.000

 

- davon: ins Westjordanland (jordanisch)

276.000

 

in den Gaza-Streifen (ägyptisch)

160-190.000

 

Jüdische Flüchtlinge aus Alt- und Ost-Jerusalem und anderen Teilen Palästinas 1948

60-70.000

 

Jüdische Flüchtlinge aus arabischen Ländern 1948-51 (Ägypten, Irak, Jemen)

260.000

 

Jüdische Flucht und Emigration aus Maghreb-Staaten bei späteren Konflikten bis zum Sechstagekrieg inkl. (1967)
 

Ca. 270.000

 

Zusammengestellt aus:
The partition of Palestine and its aftermath Encyclopedia Britannica
Palestinian expulsion and flight Wikipedia
Jewish Refugees front Palestine/Israel Jewish Virtual Library
Jewish exodus from the Muslim world Wikipedia
 

 

A6.6. UN-Vollversammlung Resolution 194, 11.12.1948 (Rückkehrrecht für Flüchtlinge)

Die Generalversammlung […]
5. fordert die beteiligten Regierungen und Behörden auf, den in der Resolution des Sicherheitsrats vom 16. November 19481 festgelegten Rahmen der Verhandlungen zu erweitern und eine Einigung im Wege von Verhandlungen anzustreben, die entweder mit der Vergleichskommission oder unmittelbar geführt werden, um zu einer endgültigen Regelung aller zwischen ihnen offenen Fragen zu gelan-gen; {…]
11. beschließt, dass den Flüchtlingen, die in ihre Wohnstätten zurückkehren und in Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen, dies zum frühesten möglichen Zeitpunkt gestattet werden soll und dass für das Eigentum derjenigen, die sich entscheiden, nicht zurückzukehren, und für den Verlust oder die Beschädigung von Eigentum, wofür nach den Grundsätzen des Völkerrechts oder der Billigkeit von den verantwortlichen Regierungen und Behörden Wiedergutmachung zu leisten ist, Entschädigung gezahlt werden soll;
weist die Vergleichskommission an, die Rückführung, Wiederansiedlung und wirtschaftliche und soziale Rehabilitation der Flüchtlinge sowie die Zahlung von Entschädigung zu erleichtern und enge Verbindung mit dem Direktor der Palästinaflüchtlingshilfe der Vereinten Nationen und über diesen mit den zuständigen Organen und Organisationen der Vereinten Nationen zu wahren; […]
 

Text nach Wikipedia mit leichten Korrekturen der Übersetzung nach dem Original:
Security Council Report, A/RES/194,  Download

 

Die Resolution wurde noch vor den einzelnen Waffenstillstandsab-kommen 1949 mit Ägypten ()24.2.), Libanon (23.3.), Jordanien (3.4.) und Syrien (20.7.) abgestimmt. Für die beginnenden Verhandlungen für eine Beendigung der Kriegshandlungen hat die UN eine „Vergleichskommission“ ins Leben gerufen.

 

A6.6a) Wikipedia fasst die Interpretationen und kontroversen Positionen zusammen:

Interpretation

Viele Bestimmungen der Resolution 194 sind bis heute nicht erfüllt worden. Die Zustimmung zur Resolution 194 durch Israel war eine Bedingung für die Aufnahme Israels in die Vereinten Nationen (siehe Resolution 273 der UN-Generalversammlung). Es war daher wenig überraschend, dass die Resolution 194 sehr schnell von der israelischen Regierung akzeptiert wurde. Die genaue Bedeutung und zeitliche Umsetzung der Resolution wurde von Anfang an heftig diskutiert. Ägypten, Irak, Libanon, Saudi-Arabien, Syrien und Jemen stimmten im Gegensatz dazu gegen die Resolution.[2]

Artikel 11 der Resolution 194 wurde seit Ende der 1960er Jahre zunehmend von denen zitiert, die den Artikel als Basis der politischen Forderung nach einer Rückkehr palästinensischer Flüchtlinge sehen. Israel hat sich stets gegen diese Auslegung gewandt und darauf hingewiesen, dass der Text lediglich feststellt, den Flüchtlingen „sollte erlaubt werden“, zum „frühest möglichen Termin“ in ihre Heimat zurückzukehren, und dass diese Empfehlung sich nur auf jene bezieht, die „es wünschen, (...) im Frieden mit ihren Nachbarn zusammen zu leben“.[3] Speziell der frühere Ministerpräsident Israels, David Ben-Gurion, bestand in einem Gespräch mit den Mitgliedern der Versöhnungskommission darauf, dass, solange Israel nicht auf den Willen der arabischen Staaten setzen könne, „in Frieden mit ihren Nachbarn“ zu bleiben, die Wiederansiedlung der Flüchtlinge für sein Land keine Verpflichtung sei. Ben-Gurion begründet dies mit der Weigerung der arabischen Staaten, Israel anzuerkennen.[4]

Auch die Frage nach einem Rückkehrrecht für die aus arabischen Staaten geflüchteten Juden – meist zwischen 750.000 und 850.000 angegeben –, für die ebenfalls die Resolution 194 angewendet werden könnte, ist ungelöst. Diese Flüchtlinge könnten gleichfalls das Recht zur Rückkehr zu ihren zurückgelassenen Besitztümern in arabischen Staaten bzw. eine Entschädigung fordern.

 

Resolution 194 der UN-Generalversammlung Wikipedia

Anmerkungen im Text:

[2] Yearbook of the United Nations 1948-49. - III. Political and Security Questions 1 / A. The Palestine Question, 1. Action of the General Assembly at its Third Session, d. Resolution adopted by the General Assembly >web.archive.org

[3] Sean Gannon: Who's afraid of Resolution 194? (Memento vom 27. September 2007 im Internet Archive) israelinsider, 22. August 2003

[4] Progress Report of the Conciliations Commission 23. Oktober 1950, III:9 (Memento vom 5. April 2009 im Internet Archive)

A6.7. Zur Diskussion:

a) Flucht und Vertreibung - zur Faktenlage

Die Positionen hierzu gehen so weit auseinander, dass es nicht möglich ist, im Einzelnen darauf einzugehen und letztgültige Wertungen zu treffen. Da die konträren Positionen auch stark ideologisch geprägt sind, ist schon eine Prüfung auf Glaubwürdigkeit schwierig, einerseits aufgrund pauschaler Aussagen, andererseitrs wegen der Frage der Exemplarität einzelner belegter Fakten.

Es gibt jedoch eine Reihe von glaubwürdigen, im Einzelnen nachgewiesenen Aspekten, die die Konturen eines Gesamtbilds ermöglichen.

1. Zweimal gab es eine Infragestellung des UN-Teilungsplans vom 29.11.1947 von arabischer Seite: Unmittelbar danach durch die beginnende Intervention der “Arabischen Befreiungsarmee”, auf die die zionistischen Einheiten, die terroristischen Gruppen sowie die “offizielle” Haganah, nicht nur defensiv, sondern auch durch eine eigene Offensive antworteten, nachdem klar war, dass der Konflikt nur militärisch entschieden werden konnte.

2. Die erste Phase betraf nur das im Teilungsplan Israel zugesprochene Territorium und die israelischeAktion  (wenn Israel auch noch nicht offziell gegründet war) bezog sich auf die Herstellung bzw. Sicherung der Kontrolle über dieses Gebiet. Einzige Ausnahme war der Weg nach Jerusalem und der Versuch, die Stadt in die Hand zu bekommen.

3. Von beiden Seiten wurden dabei Terroraktionen verübt. Die zionistischen Milizen (Irgun, Lechi.) leiteten ihre Rechtfertigung dafür einerseits davon her, dass es um alles ging, nämlich um die Existenz oder Nichtexistenz Israels, andererseits verstanden sie es auch als Recht auf Vergeltung und Rache im Rückblick auf die Massaker an Juden 1929 und während des Arabischen Aufstands 1936-39.

4. Der Vorteil der Überlegenheit der israelischen (para-)militärischen Truppen und ihre Erfolge haben das Augenmerk auch für den Betrachter von außen auf ihre Aktionen gelenkt und die arabisch-palästinensischen in den Hintergrund treten lassen. Unzweifelhaft hat diese Überlegenheit auch mehr Gewalttaten und regelrechte Massakern der zionistischen Seite ermöglicht als auf der gegnerischen Seite. Nichtsdestotrotz war das Ziel der arabischen Seite für den Fall ihres Sieges die Auslöschung der jüdischen Bevölkerung durch Mord und/oder Vertreibung und dies gilt auch für den offzielllen Krieg ab dem 15.5.1948.
 

 

 

 

 

 

Siehe dazu auf der vorherigen Seite zum ”Bürgerkrieg”

 

 

 

5. Kaum bekannt: Bereits nach dem UN-Teilungsbeschluss und noch mehr nach der Staatsgründung kam es auch außerhalb Palästinas in den arabischen Staaten zu gewalttätigen antijüdischen Ausschreitungen mit Aufrufen “Tod allen Juden” und Pogromen von Libyen bis Bahrein und Aden. In dem französischen Buch von Georges Bensoussan [1] werden Gewalttaten von beiden Seiten dargestellt und analysiert.

6. Flucht und Vertreibung lassen sich hier wie in anderen Fällen allenfalls im Einzelnen trennen, nicht im Gesamtbild. Auch Flucht ist ja keine freiwillige Aktion. Flucht vor dem Kriegsgeschehen, vor der israelischen Besatzung nach deren Sieg vor Ort, Aufrufe der arabischen Führung zur lokalen Evakuierung mit dem Versprechen auf Rückkehr, sowie organisierte Vertreibungen von israelischer Seite - alles kam vor, für alles gibt es Belege. Auch für Palästinenser, die blieben und deren Nachkommen heute mehr als 20% der Bevölkerung Israels ausmachen.

Grundsätzliche Anmerkung:

Die meisten konkreten Informationen über Terror von zionistischer Seiten verdanken wir im Allgemeinen israelischen und auch jüdischen Historikern außerhalb Israels, die unparteiisch - und damit kritisch - nach der historischen Wahrheit forschen und in Israel auch umstritten sind. Es gibt darüber hinaus auch antizionistisch eingestellte israelische oder jüdische Autoren, die ebenso ein politisches Ziel verfolgen wie palästinensisch-arabische Autoren. Weil sie Israelis sind, sind ihre Darstellungen nicht automatisch glaubwürdiger, sowenig wie andere unglaubwürdig weil proisraelisch sind. Ein Pendant zur Selbstkritik wie die “Neuen Histroiker” Israels gibt es jedoch auf palästinensich-arabischer Seite nicht .

 

[1] Georges Bensoussan: Les Pogroms en Paléstine avant la Création de l’État d’Israel (1830-1948). Paris (Fondation pour l’innovation Politique), Avril 2024, S. 30f.

 

 

 

 

 

 

 

b) Zur politischen Instrumentalisierung des Themas:

1. Es ist offenkundig, dass die “freiwillige” oder erzwungene Flucht Israel half, sich als jüdischen Staat zu definieren. Das bedeutet nicht, wie oben erklärt, dass dies systematisch von Anfang an so geplant gewesen ist. So, wie es lief, war es jedenfalls vorteilhaft für Israel und nachweislich gab es auch schon recht früh im Verlauf des Krieges von Ben Gurion dIe Order, keine Rückkehrer zuzulassen. Wir wissen nicht, wie die Geschichte verlaufen wäre, wenn die arabische Seite den Teilungsplan akzeptiert hätte, ob dann die legalitätsorientierte Mehrheit des Yishuv (der jüdischen Gemeinschaft) und ihrer politischen Führung die extremistischen Gruppen hätten bändigen können, die es auf jeden Fall auf eine Ausweitung des Territoriums und somit auf Krieg abgesehen hätten.

2. Wir wissen aber in jedem Fall, was gelaufen wäre, wenn die arabische Seite gesiegt hätte. Sie hätte sich mit keinem Territorium begnügt, das einen Freiraum für die jüdische Bevölkerung gelassen hätte, so wie auch kein palästinensischer Staat ausgerufen wurde analog zum jüdischen nach der UN-Vorgabe, weil man dies bereits Anerkennung Israels befürchtete. Ein historischer Fehler für die palästinensische Seite, die, mit einem Intermezzo in den 1990er Jahren, bis heute von radikalen Kräften dominiert wird, die die Strategie des Alles oder Nichts verfolgen.

Wenn hier übrigens von der arabischen und nicht von der palästinensischen Seite gesprochen wird, so weil unter den Freiwilligen für die Milizen vor dem 15.5.1948 mehr Syrer und Libanesen als Palästinenser waren und weil der offizielle Krieg von den arabischen Staaten geführt wurde im Auftrag der Arabischen Liga. Es war kein israelisch-palästinensischer Krieg, es war ein arabisch-israelischer Krieg. 

3. “In Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen” - diese immer gern übersehende Bedingung, die die UN-Resolution 194 an das Rückkehrrecht der Geflüchteten stellte, hätte bedeutet, den Staat Israel anzuerkennen und in ihm loyal zu leben. Wie viele hätten dies getan? Wir wissen es nicht, aber die Behauptung, sie hätten alle mit dem berühmten Schlüssel in der Hand darauf gewartet, ist wenig überzeugend. Israel erkannte wiederum die Resolution 194 an, es war die Bedingung für seine Aufnahme in die UNO, setzte es aber nicht um, abgesehen von ca. 50.000 Rückkehrern, die man akzeptierte. Ca. 40% der Flüchtlinge wurden auch nicht “gezwungen, im Zusammenhang mit der Staatsgründung ihr Land zu verlassen”, wie z.B. auf Medico International heißt [2}, denn sie flüchteten innerhalb Palästinas, ins Westjordanland, das damals jordanisch wurde. Sie mussten genauso Haus und Hof verlassen, aber nicht “ihren Staat”, denn das war Israel nicht, und sie blieben auf dem Terrtroriium ihres Staates, der keiner wurde, auch weil der jordanische König keinen wollte, sondern den Westjordan für sich beanspruchte. Entsprechend war Jordanien das einzige Land, das den Geflüchteten die Staatsbürgerschaft verlieh.
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[2] Riad Othman: Palästinensische Geflüchtete und der Jüdische Staat, Medico International, 15.8.2021.

4. Statt Rückkehr ersatzweise eine Entschädigung, auch dies ist gerne übersehen worden. Nicht von den arabischen Staaten, die 1948 gegen die Resolution stimmten - auch das faktisch nie erwähnt, außer verdienstvollerweise von Wikipedia (siehe oben). Denn solch eine Entschädigung hätte, so die vermutliche Befürchtung, vom sagenhaft reichen “Weltjudentum” und von den USA vielleicht sogar bezahlt werden können und dann wäre der Anspruch der Bewohner auf Palästina dahin gewesen. Stattdessen wurden sie in Ägypten, selbst im ägyptisch verwalteten Gaza-Streifen, im Libanon und in Syrien weiterhin als Flüchtlinge ohne Anspruch auf Einbürgerung gehalten, um eben genau das damit verbundene Rückkehrrecht hochzuhalten.

5. Nirgendwo auf der Welt außer hier wird ein Rückkehrrecht für die x-te Generation der Nachkommen von Flüchtlingen gefordert. Mit der rechnerischen Vermehrung auf über 5 Millionen würden sie zusammen mit den gebliebenen Palästinensern im Westjordanland und in Israel eine Mehrheit bilden. Die vollkommene Irrealität der Forderung, auch im praktischen Sinne, die bei allen einmal stattgefundenen Verhandlungen nur ausgesetzt, nicht aufgegeben worden war, hatte und hat bis heute erkennbar nur den Zweck, eine Lösung des Konflikts auf dem Verhandlungsweg letzten Endes scheitern zu lassen. Sie ist de facto das Relikt der Nichtanerkennung des jüdischen Staates, selbst wenn man ihn als Verhandlungspartner anerkannt hat, wozu alleine es schon Jahrzehnte brauchte (siehe Quellensammlung Teil B).

Für die radikalen Kräfte in der israelischen Gesellschaft und in der Politik war und ist dies Wasser auf ihre Mühlen. Für Israel vollkommen inakzeptable Forderungen abzulehnen, darum kamen selbst versöhnungsbereite Politiker nicht herum. Wenn sie jedoch keine dauerhafte Verhandlungslösung herbeiführen konnten, stärkte das nur diejenigen, die ohnehin gar keine wollten.

Wird noch  ergänzt…

W.G.

 

 

Ende des Teils A. Sprung Teil B

 

 

A6.1. Die Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel
Verkündet in Tel Aviv am 14.Mai 1948 (5. Ijar 5708)

 

Im Lande Israel entstand das jüdische Volk. Hier prägte sich sein geistiges, religiöses und politisches Wesen. Hier lebte es frei und unabhängig, Hier schuf es eine nationale und universelle Kultur und schenkte der Welt das Ewige Buch der Bücher.
Durch Gewalt vertrieben, blieb das jüdische Volk auch in der Verbannung seiner Heimat in Treue verbunden. Nie wich seine Hoffnung. Nie verstummte sein Gebet um Heimkehr und Freiheit.
Beseelt von der Kraft der Geschichte und Überlieferung, suchten Juden aller Generationen in ihrem alten Lande wieder Fuß zu fassen. Im Laufe der letzten Jahrzehnte kamen sie in großen Scharen. Pioniere, Verteidiger und Einwanderer, die trotz der Blockade den Weg in das Land unternahmen, erweckten Einöden zur Blüte, belebten aufs neue die hebräische Sprache, bauten Dörfer und Städte und errichteten eine stets wachsende Gemeinschaft mit eigener Wirtschaft und Kultur, die nach Frieden strebte, aber sich auch zu schützen wußte, die allen im Lande die Segnungen des Fortschritts brachte und sich vollkommene Unabhängigkeit zum Ziel setzte.
Im Jahre 1897 trat der erste Zionistenkongreß zusammen. Er folgte dem Rufe Dr. Theodor Herzls, dem Seher des jüdischen Staates, und verkündete das Recht des jüdischen Volkes auf nationale Erneuerung in seinem Lande. Dieses Recht wurde am 2. November 1917 in der Balfour-Deklaration anerkannt und auch durch das Völkerbundsmandat bestätigt, das der historischen Verbindung des jüdischen Volkes mit dem Lande Israel und seinem Anspruch auf die Wiedererrichtung seiner nationalen Heimstätte internationale Geltung verschaffte.
Die Katastrophe, die in unserer Zeit über das jüdische Volk hereinbrach und in Europa Millionen von Juden vernichtete, bewies unwiderleglich aufs Neue, daß das Problem der jüdischen Heimatlosigkeit durch die Wiederherstellung des jüdischen Staates im Lande Israel gelöst werden muß, in einem Staat, dessen Pforten jedem Juden offenstehen, und der dem jüdischen Volk den Rang einer gleichberechtigten Nation in der Völkerfamilie sichert.
 

 

Die Überlebenden des schrecklichen Nazigemetzels in Europa sowie Juden anderer Länder scheuten weder Mühsal noch Gefahren, um nach dem Lande Israel aufzubrechen und ihr Recht auf ein Dasein in Würde und Freiheit und ein Leben redlicher Arbeit in der Heimat durchzusetzen.
Im Zweiten Weltkrieg leistete die jüdische Gemeinschaft im Lande Israel ihren vollen Beitrag zum Kampfe der frieden- und freiheitsliebenden Nationen gegen die Nazimächte der Finsternis. Mit dem Blute ihrer Soldaten und ihrem Einsatz für den Sieg erwarb sie das Recht auf Mitwirkung bei der Gründung der Vereinten Nationen.
Am 29. November 1947 faßte die Vollversammlung der Vereinten Nationen ei-nen Beschluß, der die Errichtung eines jüdischen Staates im Lande Israel forderte. Sie rief die Bewohner des Landes auf, ihrerseits zur Durchführung dieses Beschlusses alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen. Die damalige Anerkennung der staatlichen Existenzberechtigung des jüdischen Volkes durch die Vereinten Nationen ist unwiderruflich. Unabhängigkeitserklärung
Gleich allen anderen Völkern, ist es das natürliche Recht des jüdischen Volkes, seine Geschichte unter eigener Hoheit selbst zu bestimmen. Demzufolge haben wir, die Mitglieder des Nationalrates, als Vertreter der jüdischen Bevölkerung und der zionistischen Organisation, heute, am letzten Tage des britischen Mandats über Palästina, uns hier eingefunden und verkünden hiermit kraft unseres natürli-chen und historischen Rechtes und aufgrund des Beschlusses der Vollversammlung der Vereinten Nationen die Errichtung eines jüdischen Staates im Lande Israel - des Staates Israel.

 

 

Wir beschließen, daß vom Augenblick der Beendigung des Mandates, heute um Mitternacht, dem sechsten Tage des Monats Ijar des Jahres 5708, dem 15. Mai 1948, bis zur Amtsübernahme durch verfassungsgemäß zu bestimmende Staatsbehörden, doch nicht später als bis zum 1. Oktober 1948, der Nationalrat als vorläufiger Staatsrat und dessen ausführendes Organ, die Volksverwaltung, als zeitweilige Regierung des jüdischen Staates wirken sollen. Der Name des Staates lautet Israel. Der Staat Israel wird der jüdischen Einwanderung und der Sammlung der Juden im Exil offenstehen.
Er wird sich der Entwicklung des Landes zum Wohle aller seiner Bewohner widmen. Er wird auf Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Visionen der Propheten Israels gestützt sein. Er wird all seinen Bürgern ohne Unterschied von Religion, Rasse und Geschlecht, soziale und politische Gleichberechtigung verbür-gen. Er wird Glaubens- und Gewissensfreiheit, Freiheit der Sprache, Erziehung und Kultur gewährleisten, die Heiligen Stätten unter seinen Schutz nehmen und den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen treu bleiben.
Der Staat Israel wird bereit sein, mit den Organen und Vertretern der Verein-ten Nationen bei der Durchführung des Beschlusses vom 29. November 1947 zu-sammenzuwirken und sich um die Herstellung der gesamtpalästinensischen Wirt-schaftseinheit bemühen. Wir wenden uns an die Vereinten Nationen mit der Bitte, dem jüdischen Volk beim Aufbau seines Staates Hilfe zu leisten und den Staat Israel in die Völkerfamilie aufzunehmen.

 

“Nationalsrat” und “Volksverwaltung” bestanden bereits als gewählte Selbstverwaltungsorgane des Yishuv, der jüdische Gemeinschaft unter der Mandatsverwaltung.

 

 

 

 

 

Wir wenden uns - selbst inmitten mörderischer Angriffe, denen wir seit Monaten ausgesetzt sind - an die in Israel lebenden Araber mit dem Aufrufe, den Frieden zu wahren und sich aufgrund voller bürgerlicher Gleichberechtigung und entsprechender Vertretung in allen provisorischen und permanenten Organen des Staates an seinem Aufbau zu beteiligen.
Wir bieten allen unseren Nachbarstaaten und ihren Völkern die Hand zum Frieden den und guter Nachbarschaft und rufen zur Zusammenarbeit und gegenseitigen Hilfe mit dem selbständigen jüdischen Volk in seiner Heimat auf. Der Staat Israel ist bereit, seinen Beitrag bei gemeinsamen Bemühungen um den Fortschritt des gesamten Nahen Ostens zu leisten.
Unser Ruf ergeht an das jüdische Volk in allen Ländern der Diaspora, uns auf dem Gebiete der Einwanderung und des Aufbaues zu helfen und uns im Streben nach der Erfüllung des Traumes von Generationen - der Erlösung Israels  beizustehen.
Mit Zuversicht auf den Fels Israels setzen wir unsere Namen zum Zeugnis un-ter diese Erklärung, gegeben in der Sitzung des zeitweiligen Staatsrates auf dem Boden unserer Heimat in der Stadt Tel Aviv. Heute am Vorabend des Sabbat, dem 5. Ijar 5708, 14. Mai 1948.

Israelische Botschaft Berlin
 

 

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Hier warten wir noch auf die Genehmigung für eine Quelle

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A6.2. Palästinakrieg: Karte der arabischen Offensiven bis 11. Juni 1948

596px-1948_arab_israeli_war_-_May15-June10

Wikipedia
 

Am Tag nach der Proklamation des Staates Israel erklärten die Nachbarstaaten Ägypten, Jordanien, Syrien, Libanon sowie der Irak Israel den Krieg.

Israel hatte bis dahin das Territorium des UN-Teilungsplans unter seine Kontrolle gebracht, sowie darüber hinaus die Verbindung nach Jerusalem.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

A6.3. Militärische Lage beim Waffenstillstand am 6.4.1949

Palestine_Military_Situation_April_6_1949

Wikipedia Vgl. auch die hochauflösende offizielle UN-Karte

 

Als Stichdatum für die “Grüne Linie” der Waffenstillstandsgrenze gilt das vorletzte und wichtigste Waffenstillstandsabkommen mit Jordanien am 3.4.1949, auch wenn das letzte mit Syrien erst am 20.7. geschlossen wurde.

Obwohl damit noch keine Friedensregelung getroffen wurde, erkannte die UN die “Grüne Linie” de facto als neue Staatsgrenze an.

Wikipedia

Die Kriegshandlungen und auch zuvor schon der Bürgerkrieg (siehe oben) hatten eine massive Flüchtlingswelle zur Folge, ca. 750.000 Menschen. Wie sich diese zwischen den beiden Phasen verteilt, ist nicht präzise zu sagen, die These von Wikipedia, die meisten seien schon in der Bürgerkriegsphase geflohen, wird nicht belegt. Die Eroberungen im offiziellen Krieg (siehe Karte) betrafen jedoch über die Grenze des UN-Teilungsplans hinaus rein arabische bewohnte Gebiete.

Wie viele Menschen von sich aus, d.h. vor den Kriegshandlungen oder der drohenden israelischen Besatzung flohen, und wie viele von der israelischen Armee vertrieben wurden, ist ebenfalls nicht mehr genau nachweisbar, zumal die Übergänge zwischen beidem fließend sind.

 

Bearbeitungsstand / update 17.8.2024

A6.4. Flucht und Vertreibung - die Nakba

Vertreibung_aus_Haifa

Wikipedia Gemeinfrei

Die Nakba (oder Naqba), im Arabischen svw. “Katastrophe”, ist im palästinensischen Narrativ, in der historischen Erinnerung, die Bezeichnung für die Vertreibung arabischer Bevölkerung durch die Israelis vor und nach der Staatsgründung im Zuge des Palästinakrieges, der Ende 1947 zunächst als eine Art Bürgerkrieg begann und ab dem 15.5.1948 als Krieg der Nachbarstaaten gegen das frisch gegründete Israel seinen Höhepunkt fand. Die israelische Seite spricht dagegen von der Flucht der palästinensischen Bevölkerung.

Links: Ein Foto von der Ausweisung arabischer Bewohner aus Haifa, das im Internet kursiert. Wie leider so oft, ist das nicht exakt belegt.
Haifa hatte eine zu ca. 50:50 gemischt arabisch-jüdische Bevölkerung, darunter auch eine starke Gruppe Christen unter den Arabern. Flucht oder Vertreibung in Haifa noch in der Bürgerkriegsphase, auf den 23.4.1928 datiert, ist eines der am heißesten umstrittenen Details der Nakba.

 

 

Palestinian_refugees

Palestinian refugees. “Making their way from Galilee in October-November 1948”.
Wikmpedia Commons

Rechts: Erzwungene Evakuaierung der Bewohner des jüdischen Viertels in der Altstadt Jerusalems, Mai 1948
Jewish Quarter residents evacuating the Old City through the Zion Gate during May 1948
Wikimedia Commons

 

Jewish_Quarter_Refugees

 

Übersicht:

A6.1. Die Unabhängigkeitserklärung des Staates Israel am 14.5.1948
A6.2. Palästinakrieg: Karte der arabischen Offensiven bis 11. Juni 1948
A6.3. Militärische Lage beim Waffenstillstand am 6.4.1949 (Karte)
A6.4. Flucht und Vertreibung – die Nakba (Text/Fotos)
A6.4a) Der Fall Haifa als Beispiel
A6.5. Flucht und Vertreibung im größeren Kontext
A6.6. UN-Vollversammlung Resolution 194, 11.12.1948 (Rückkehrrecht für Flüchtlinge)

A6.6a) Wikipedia fasst die Interpretationen und kontroversen Positionen zusammen
A6.7. Zur Diskussion:
a) Flucht und Vertreibung - zur Faktenlage
b) Zur politischen Instrumentalisierung des Themas

 

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